Artikel herunterladen

Wirksamkeit der Impfung mit BNT162b2 (Comirnaty®) bei Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie

An chronischer lymphatischer Leukämie der B-Lymphozyten (B-CLL) erkranken meist ältere Menschen (medianes Alter: 72 Jahre), die häufig auch Komorbiditäten haben und deren Immunsystem geschwächt ist (Immundefizienz; 1). Infektionen – sowohl virale als auch opportunistische – gehören deshalb zu den führenden Todesursachen bei Patienten mit B-CLL. Klinische Studien bei diesen Patienten, die ein hohes Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 haben und meist einen schweren Verlauf von COVID-19 erleiden, sind deshalb wichtig, um die Prävalenz der SARS-CoV-2-Infektion, Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19, geeignete präventive Maßnahmen sowie die optimale Behandlung der B-CLL in dieser Situation zu ermitteln (1). Inzwischen sind 2 multizentrische internationale Kohortenstudien zu Patienten mit B-CLL in Europa, USA und Südamerika mit symptomatischem Verlauf von COVID-19 publiziert worden (2, 3). Sie haben übereinstimmend gezeigt, dass die Letalität von COVID-19 bei hospitalisierten Patienten mit B-CLL und schwerem Verlauf mit 36,4% (2) bzw. 37% (3) deutlich erhöht ist. Interessanterweise fanden sich in beiden Studien auch unterschiedliche Ergebnisse zum Einfluss medikamentöser Therapien der B-CLL, z.B. mit einem Inhibitor der Bruton-Tyrosinkinase (BTK), mit Venetoclax als Inhibitor des B-Zell-Lymphom (Bcl-2)-Proteins, monoklonalen Antikörpern, Chemo-/Immuntherapie (vgl. 4) auf den Verlauf von COVID-19.

Patienten mit B-CLL haben meist ein gestörtes Immunsystem infolge des sekundären Antikörpermangel-Syndroms, aber auch Störungen der unspezifischen und zellulären Immunität (5). Aufgrund des Fehlens gut wirksamer medikamentöser Therapieoptionen zur Behandlung schwerer Verläufe von COVID-19 bei diesen meist immunsupprimierten Patienten ist die Impfung gegen SARS-CoV-2 sehr wichtig, um einen schweren Verlauf von COVID-19 zu verhindern.

Das Ansprechen von Patienten mit B-CLL auf die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Tozinameran, Comirnaty®) wurde jetzt erstmals in einer klinischen Studie untersucht (5) und verglichen mit einer in Bezug auf Alter und Geschlecht übereinstimmenden Subgruppe gesunder Personen (Kontrollgruppe). Die Patienten mit B-CLL erhielten, ebenso wie die Personen der Kontrollgruppe, eine zweimalige Impfung mit BNT162b2, jeweils im Abstand von 3 Wochen.

In diese prospektive, im Rahmen der „European Research Initiative on CLL“ (ERIC) durchgeführten Studie, wurden insgesamt 167 Patienten mit B-CLL oder kleinzelligem lymphozytischen Lymphom („small lymphocytic lymphoma“ = SLL) und 52 Personen als Kontrolle eingeschlossen. Das mediane Alter der CLL/SLL-Patienten betrug 71 Jahre; 112 waren Männer. Etwa ein Drittel hatte noch keine CLL-spezifische Therapie erhalten. Aktuell bzw. zuvor medikamentös behandelt wegen CLL/SLL wurden 75 Patienten (44,9%) bzw. 24 Patienten (14,4%). Die mediane Zeit von der Diagnose B-CLL/SLL bis zur Impfung betrug 83 Monate. Antikörper gegen SARS-CoV-2, die im Median 15 Tage nach der 2. Impfung mit dem Elecys Anti-SARS-CoV-2-S-Assay® gemessen wurden, fanden sich bei nur 66 (39,5%) der 167 Patienten mit B-CLL/SLL. Der Vergleich einer Untergruppe von 52 Patienten mit B-CLL/SLL mit 52 gesunden Personen in der Kontrollgruppe ergaben eine signifikant verringerte Ansprechrate auf die Impfung (52% vs. 100%; p < 0,001) sowie auch niedrigere Antikörpertiter. Diese verringerte serologische Ansprechrate auf die Impfung gegen SARS-CoV-2 ist Ausdruck einer Störung der humoralen Immunität und entspricht den Ergebnissen bei Patienten mit B-CLL nach Impfungen gegen Pneumokokken und Hepatits B (5). Eine univariate Analyse ergab, dass folgende Merkmale der Patienten mit B-CLL/SLL mit einem Ansprechen auf die Impfung assoziiert waren: Alter ≤ 65 Jahre, Mutation im Immunglobulin-Schwerkettenregion (IGHV)-Gen, Beta2-Mikroglobulin ≤ 3,5 mg/l, ≥ 12 Monate ohne Behandlung mit anti-CD20 monoklonalen Antikörpern, IgG ≥ 550 mg/dl, IgM ≥ 40 mg/dl und IgA ≥ 80 mg/dl. Unbehandelte Patienten mit B-CLL/SLL zeigten eine bessere Antwort auf die Impfung und höhere Antikörpertiter als die zum Zeitpunkt der Studie medikamentös mit BTK-Inhibitoren (Ibrutinib oder Acalabrutinib), Venetoclax ± anti-CD20 monoklonale Antikörper (z.B. Rituximab oder Obinutuzumab) behandelten. Ein Vergleich dieser beiden medikamentösen Therapieoptionen ergab keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des serologischen Ansprechens auf die Impfung. Keiner der Patienten mit B-CLL/SLL, die in den 12 Monaten vor der Impfung mit anti-CD20 monoklonalen Antikörpern behandelt worden waren, zeigte ein serologisches Ansprechen auf BNT162b2. Bemerkenswert ist auch, dass Patienten in einer allerdings kleinen Gruppe (n = 24), die bereits zuvor eine gegen B-CLL/SLL gerichtete Therapie erhalten hatten (meist in Form einer Chemo-/Immuntherapie oder mit BTK-Inhibitoren bzw. Venetoclax) und sich zum Zeitpunkt der Impfung in kompletter oder partieller Remission (CR/PR) befanden, ein sehr gutes Ansprechen auf die Impfung (79,2%) mit hohen Antikörper-Titern zeigten. Dies gilt besonders für Patienten, deren medikamentöse Behandlung ≥ 12 Monate zuvor beendet worden war.

In einer multivariaten Analyse erwiesen sich Alter ≤ 65 Jahre, weibliches Geschlecht, keine aktive Therapie zum Zeitpunkt der Impfung und IgG- (≥ 550 mg/dl) bzw. IgM-Werte (≥ 40 mg/dl) als unabhängige prädiktive Faktoren für ein serologisches Ansprechen auf die Impfung. COVID-19 wurde bei keiner der geimpften Patienten nach der 1. Impfung (mediane Nachbeobachtung: 75 Tage) diagnostiziert.

Milde lokale unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) traten bei 31% (nach 1. Impfung) bzw. 34% (nach 2. Impfung) auf und systemische UAE bei 12,5% bzw. 23,4%. Statistisch signifikante Korrelationen fanden sich weder zwischen Auftreten lokaler oder systemischer UAE und dem serologischem Ansprechen auf die Impfung noch zwischen der Rate an UAE und den beiden Gruppen von Patienten, die zum Zeitpunkt der Impfung aktiv behandelt wurden oder keine Behandlung der B-CLL/SLL erhielten.

Fazit: In einer prospektiven Studie zeigten nur 39,5% von insgesamt 167 Patienten mit B-CLL oder SLL nach zweimaliger Impfung mit BNT162b2 mRNA-Impfstoff ein serologisches Ansprechen (Nachweis von anti-SARS-CoV-2-S-Antikörpern). Ein Vergleich von 52 dieser Patienten mit B-CLL oder SLL mit einer in Bezug auf Alter und Geschlecht übereinstimmenden Subgruppe gesunder Personen ergab eine hoch signifikant verminderte Ansprechrate auf die Impfung. Sie war besonders niedrig bei Patienten, die in den 12 Monaten vor der Impfung mit BTK-Inhibitoren oder Venetoclax ± anti-CD20 monoklonalen Antikörpern behandelt worden waren. Patienten mit B-CLL/SLL sollten über die verminderte Wirksamkeit der Impfung gegen SARS-CoV-2 aufgeklärt und eine medikamentöse Therapie der B-CLL in der jetzigen Situation vor Impfung nur bei eindeutiger Indikation begonnen werden.

Literatur

  1. Montserrat, E.: Blood 2020, 136, 1115. Link zur Quelle
  2. Scarfò, L., et al.: Leukemia 2020, 34, 2354. Link zur Quelle
  3. Mato, A.R., et al.: Blood 2020, 136, 1134. Link zur Quelle
  4. AMB 2014, 48, 59 Link zur Quelle . AMB 2015, 41, 68 Link zur Quelle . AMB 2019, 53, 49 Link zur Quelle . AMB 2020, 54, 01. Link zur Quelle
  5. Herishanu, Y., et al.: Blood 2021, 137, 3165. Link zur Quelle